Leseprobe

Meine Jugend in Katzbach 1946 – 1950 (Auszüge aus einer Biografie)

Nach neun Tagen wurden wir auf die umliegenden Dörfer verteilt. Ein Lastwagen brachte uns bis zum Dorfplatz von Katzbach. Wir sollten zunächst in einem Saal des Gasthauses untergebracht werden. Doch das ging nicht. Ein Flüchtlingskommissar organisierte die Verteilung auf die Familien. Er ging von Haus zu Haus, sah sich die Zimmer und die Anzahl der Bewohner an und beschlagnahmte jene Zimmer, die von der Familie nicht unbedingt benötigt wurden, egal ob es den Bewohnern recht war oder nicht. Das war auch für viele Bauern schlimm. Das waren ja alles arme Bauern. Wir saßen auf dem LKW und dachten: „Oje, was wird uns da wohl erwarten?“ Aber wir hatten großes Glück. Die Lommers halfen uns, wo sie konnten. Wir hatten ja nichts mehr(…)

Von der Dorfjugend wurde ich gut aufgenommen. Am schönsten war es immer ab Abend unter dem Kastanienbaum, wo sich die ganze Jugend traf. Es war die schönste Zeit meines Lebens. Ich war arm, aber zufrieden und sorglos. Ich empfinde das heute noch so.“ (…)

Meine Ausbildung in Mainz 1951 bis 1954

Mainz war zu jener Zeit ein einziges Trümmerfeld, total zerbombt. Bei den Aufräumarbeiten grub man ständig Tote aus. Leute, die dort gewohnt und überlebt hatten, suchten ihre Angehörigen. Ich begann 1951 eine Ausbildung als Buchhändlerin. Die Berufsschule war in Baracken untergebracht, weil es ja nur Ruinen gab.

In der Universitätsbuchhandlung bekam ich eine Lehrstelle. Wir führten hauptsächlich Fachliteratur für die wissenschaftlichen Institute. Auch ein kleiner Schreibwarenladen für die Studenten war der Buchhandlung angegliedert. Ich habe einmal in Bad Tölz nachgefragt, was heute diese grün gestreiften Pelikan-Klassiker kosten. Heute bezahlt man dafür 250 Euro. Die Pelikanfüllhalter 400 kosteten damals 25 Mark. Es war schon fast eine Sensation, wenn man so einen Füller verkaufte.  Ich verkaufte damals mehrere davon.

In den 50er Jahren studierten viele junge Perser Medizin, in deren Familie Geld keine Rolle spielte. Einen dieser Studenten traf ich 25 Jahre später sogar einmal am Münchner Hauptbahnhof. Wir drehten uns um, sahen einander an und wussten, dass wir uns irgendwoher kannten.  Er sagte, er sei Mediziner in den Vereinigten Staaten und als ich ihn fragte, ob er einmal in Mainz studiert habe, antwortete er „ja“. Dann gingen wir einen Kaffee miteinander trinken (…)